Atem

Atem

Der Atem bringt uns immer in die Gegenwart, in den Augenblick...

In unserer hektischen Zeit kommt die innere Ruhe und das richtige Atmen oft zu kurz. Der alltägliche Spagat zwischen Beruf, Privatleben und verschiedenen Anforderungen bringt uns immer öfter „außer Atem" - Anspannung und Druck sind die Folge, gesundheitliche Beschwerden können entstehen.
Atem ist Bewegung, ständiger Austausch und Verwandlung. Vom ersten Atemzug an sind wir in diesem Rythmus des Lebens eingebettet: Aufnehmen, Loslassen, Sein-lassen....

„Der Kreislauf, das Rad der Verwandlung: Sich-Loslassen und Sich-Niederlassen (im Ausatem), Sich-Eins werden lassen mit dem tragenden Grund des Beckens (in der Atempause), Sich wieder Neu-Finden (Einatem).“
(aus „Hara – die Erdmitte des Menschen“, K.G.Dürckheim)

Der Atem ist Ausdruck des ganzen Menschen und Bindeglied zwischen Bewusstem und Unbewusstem, Körper und Psyche. Atem und Psyche stehen in wechselseitiger Beziehung und beeinflussen einander. Psychischer Druck führt oft zu verkrampftem Atemmuster und umgekehrt. Chronisch flache Atmung führt oft zu verspannter Muskulatur und findet auch in der Psyche ihren Niederschlag – Starre und Verpanzerung als persönliche Schutzhaltung kann die Folge sein sowie fehlende Flexibilität oder fehlendes Vertrauen in den eigenen Körper, in sich selbst.
Jeder Mensch hat seine ganz persönliche Art und Weise zu atmen. "Falsches" bzw. unökonomisches Atmen wird leicht zur Gewohnheit. Jede Störung im Atemfluss stört die Sauerstoffversorgung im ganzen Körper. Wo der Atem nicht frei fließen darf, können Verspannungen und Blockaden entstehen. Schmerzen und Ängste lassen den Atem flach und eng werden. Atem geschieht auch über unsere Muskeln. Die Haltung und der Körpertonus haben wesentliche Auswirkung auf das Atemgeschehen.

Ein Beispiel aus dem Alltag:
Wenn wir uns freuen, etwas Schönes sehen oder tun, eine guten Duft riechen, fließt der Atem anders als wenn wir die Zähne zusammen beißen, etwas durchhalten, in großer Anspannung sind oder uns ein Schrecken packt oder wenn wir traurig sind. Der Atem reagiert auf Bewegung, Gefühle, Gedanken und auch auf die bloße Vorstellung einer Aktion oder Empfindung. Die Atmung geschieht automatisch und unbewusst, aber sie ist auch willentlich beeinflussbar und wirkt so auf die psychovegetative Situation des Menschen. Der freie Fluss des Atems kann den Menschen „in Bewegung“ bringen, körperlich und seelisch.

In der Atemarbeit geht es nicht um TUN, sondern um LASSEN, den Atem frei fließen zu lassen, so wie er von selber, ohne Zutun, fließen mag. Dieses „nichts TUN müssen“ ist oft schwierig zu erlauben, weil wir gewohnt sind „zu machen“. Wenn wir den Atem aufmerksam wahrnehmen, ohne ihn zu beeinflussen, wird irgendwann deutlich: ES atmet mich, der Atem trägt uns bedingungslos, einfach weil wir DA sind. In Leichtigkeit darf er kommen und gehen, ohne Mühe und Anstrengung.

„Es gibt vielerlei Atemübung vom Menschen erfunden und für vielerlei Zwecke von Nutzen. Über die Richtigkeit kann man streiten. Aber es gibt nur eine unbestreitbare Übung des Atems, die nicht vom Menschen erfunden, sondern eingeboren und wesensgemäss ist: ihn zuzulassen“.
(aus „Der doppelte Ursprung des Menschen“, K.G.Dürckheim)

Einatmen, Ausatmen, Pause......

Wir leben derzeit in einer stark am Einatem, am Machen, Haben und Leistung orientierten Zeit. Daher auch unser Bemühen den Atem „zu machen“ und als Leistung zu sehen.
Jede Atemphase ist gleich wichtig. Die vorrangige Übung in unserem Kulturkreis scheint mir eher das Üben am Ausatem, das Loslassen und das Erlauben der Atempause.
Einatmen bedeutet nicht nur „Luft holen“, sondern auch hereinlassen, sich einlassen, offen sein für das was kommt – ein Ja zum Leben, da sein und sich selbst Raum geben, Ich sein dürfen, nehmen dürfen, aufnehmen von dem was um mich ist.
Ausatmen bedeutet u.a. Loslassen, abgeben von dem was in mir ist, von sich selber weggehen nach Außen, weitergehen, die Bereitschaft den Boden für den nächsten Einatem zu bereiten, den nächsten Schritt tun.
Die Pause ist jener Moment in dem der Ausatem ausschwingt und der Einatemimpuls noch nicht spürbar ist. Es ist ein Moment des Inne-haltens, in dem der Mensch ganz bei sich sein kann, wo Ruhe sein darf.
Es entsteht eine Qualität, die ich auch ganz bei sich ANKOMMEN nenne.

„Man muss nicht erst nehmen wollen, um geben zu können, sondern alles hergeben, um empfangen zu dürfen. Im vollen Ausströmen lassen des Atems bekundet sich das Vertrauen zum Leben.“
(aus „Der doppelte Ursprung des Menschen“, K.G.Dürckheim)

Waltraud Aigner, praxis@atemstimme.com, tel. 0650 / 900 14 67